„Mit der Wahl von Frauen in politische Vorstände ist erst der Anfang gemacht“ – Interview mit Jana Herrmann

Bild: Alma Kleen

Auf der vergangenen Bundeskonferenz im Mai wurde nicht nur ein neuer Bundesvorstand gewählt. Auch wurde der Abschied von Jana Herrmann als Bundesvorsitzende gefeiert. Vier Jahre lang hat sie als Vorsitzende die Geschicke des Verbandes geprägt – dem gingen weitere sechs Jahre als Mitglied im Bundesvorstand voraus. Wir haben sie u.a. zu ihrer Zeit als Teil der ersten weiblichen Doppelspitze in der Geschichte des Verbandes, zu zukünftigen Herausforderungen für die Falken sowie zu ihrer persönlichen Zukunft befragt. 

Liebe Jana, nach vier Jahren als Bundesvorsitzende hast du dich nun aus dem Bundesvorstand verabschiedet. Mit welchen Gefühlen lässt du nun den Vorsitz hinter dir?  

Ich hätte eigentlich gedacht, dass man nach diesem Schritt in ein tiefes Loch fällt und auch Angst hat, dass nach einem alles zusammenbricht. Tatsächlich gehe ich aber mit einem sehr positiven Gefühl. Das liegt zum einen an der sehr wertschätzenden Verabschiedung auf der Bundeskonferenz, bei der gezeigt wurde, was ich während meiner Zeit im Verband alles gemacht habe. Zudem finde ich den neuen Bundesvorstand richtig gut. Die Genoss*innen, die nun gewählt wurden, betreiben ihre Arbeit mit einer Ernsthaftigkeit, die mich nachts gut schlafen lässt. Ihnen liegt der Verband genauso am Herzen wie mir. Deshalb kann ich mit einem guten Gefühl gehen. 

Dennoch ist der Abschied von der Erkenntnis begleitet, dass ich nie wieder im Leben so einen geilen Job haben werde. Die Falken waren lange Zeit mein Ehrenamt und mein einziges Hobby. Als Bundesvorsitzende habe ich für das, was mir wahnsinnig viel Spaß gemacht hat, auch noch Geld bekommen. Aber natürlich war klar, dass ich diese Arbeit irgendwann an andere abgeben werde. 

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Warum wir nicht alle Arbeiter*innen sind – und warum wir trotzdem gewinnen können!

Die Behauptung, es gäbe mittlerweile keine Klassen oder mindestens keine Arbeiter*innenklasse mehr, ist auch in der Linken immer noch verbreitet. Die Welt heutzutage scheint komplizierter, immerhin gibt es in den kapitalistischen Zentren eine ganze Reihe von Dienstleistungsberufen, die nicht so recht zum Bild der schaffenden männlichen Malocher passen wollen. Ein Versuch, die Welt wieder einfach zu machen und den Klassenkampf wieder zu beleben, ist das Gegenargument, nach dem alle Lohnabhängigen Teil der Arbeiter*innenklasse sind. 

Was dieses Argument im 21. Jahrhundert zunehmend auch in der sozialistischen Linken populär macht, ist die wirkliche Notwendigkeit, überhaupt irgendein geteiltes Interesse im politischen Kampf zu betonen. Populäre liberale Gesellschaftskritiken leisten gerade eher das Gegenteil, nämlich extrem präzise die Unterschiedlichkeit von Unterdrückungserfahrungen auszuleuchten. Sie haben dabei den Vorteil, sehr unmittelbar und fast formelhaft an die Unterdrückungserfahrungen im Kapitalismus anschließen zu können. Keine zwei Erfahrungen im Kapitalismus sind gleich.

Die ebenso formelhafte Erwiderung, dass fast alle Menschen das Merkmal der Lohnabhängigkeit teilen, bleibt dagegen etwas zahnlos. Mit diesem Argument konkurriert die sozialistische Linke mit der liberalen Gesellschaftskritik auf deren Terrain, indem sie versucht die Klassenposition als formelhafte ja-nein-Frage zu fassen, die auf den individuellen Alltag angewendet werden kann: Kriegst du Lohn oder nicht? Statt auf ein gemeinsames Interesse wird auch hier nur auf ein gemeinsames Merkmal verwiesen und Interesse mit diesem Merkmal gleichgesetzt: Ihr seid lohnabhängig, ihr seid auf der gleichen Seite. Dass das kaum jemanden überzeugen kann, ist wenig verwunderlich: Zu krass sind die lebensweltlichen Unterschiede zwischen der rumänischen Spargelstecherin und dem Tönnies-Manager. 

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Ein Treppenwitz der Geschichte? – Aus „andere jugend“ wird wieder die „Arbeiter*innenjugend“

Bild: Lena Schliemann

Vielleicht habt ihr es schon mitbekommen: Die Bundeskonferenz hat beschlossen, die aj umzubenennen. Nachdem die Zeitung seit 30 Jahren “die andere jugend” hieß, heißt sie nun “Arbeiter*innenjugend” und ist damit ihrem ursprünglichen Namen “Arbeiterjugend” wieder deutlich näher. Doch warum wurde die Zeitung damals umbenannt und woher kommt die Entscheidung, dies nun wieder zu ändern? Dazu haben wir mit Genoss*innen gesprochen, die 1991 mitentschieden haben und auch einen Blick in die erste “andere jugend” geworfen – und können euch wärmstens empfehlen, es uns gleichzutun.

1991: Ist “Arbeiterjugend” noch zeitgemäß?

Unter dem Eindruck der Auflösung des Staatssozialismus (wir berichteten) in Osteuropa und dem Beitritt der DDR zur BRD stellte sich der Bundesvorstand in der Nachwendezeit die Frage, welche Jugendlichen man noch mit einer Zeitung erreicht, die “Arbeiterjugend” heißt. Im Editorial der Ausgabe 1/1991 wird darauf verwiesen, dass sich der Kapitalismus seit 1904 verändert habe und auch für eine sozialistische Jugendorganisation die Zielgruppe nicht mehr klar als arbeitende Jugend zu definieren wäre. Genoss*innen, die damals aktiv den Verband gestalteten, erinnern sich:

“Der Begriff war kein Zeitschriftentitel mehr, von dem sich Jugendliche angesprochen fühlen und sie identifizierten sich nicht mehr mit der Bezeichnung ‘Arbeiterjugend’, so war damals die politische Auffassung und Mehrheitsentscheidung.”

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Care-Arbeit und Krise – Zur Situation von Frauen in der Covid-19-Pandemie

Pflege am Boden – Flashmob für bessere Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals (Foto: Mundus Gregorius)

Dass vor dem Virus nicht alle gleich sind, ist seit Beginn der Pandemie der wichtige Einwand von links gegen all jene, die behaupten, „wir“ säßen in einem Boot und müssten nun zusammenhalten. Bereits bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten wurden durch die Pandemie zusätzlich verschärft. Bisher nur notdürftig verkleisterte oder noch halbwegs erträgliche Probleme treten nun voll ans Tageslicht. Dies betrifft auch das patriarchale Geschlechterverhältnis: Die Gesundheitskrise, so wurde mehrfach dargelegt, sei vor allem auch eine „Krise der Frauen“. Wie lässt sich diese Krise nach einem Jahr Pandemie (vorläufig) bilanzieren?  

Besondere Betonung hat in der Debatte um den geschlechtlichen Aspekt der Corona-Pandemie die häusliche Gewalt erfahren. Gleich zu Beginn des ersten Lockdowns warnten feministische Akteur*innen vor zunehmender Männergewalt innerhalb von Partner*innenschaften und Familien. Sie betonten das Problem fehlender Ausweichmöglichkeiten und Anlaufstellen für Frauen und Kinder. Tatsächlich haben Hilfsorganisationen einen Anstieg von Unterstützungsgesuchen festgestellt. Verlässliche Zahlen gibt es aufgrund der in privaten Räumen stattfindenden Gewalt und der (insbesondere in Pandemiezeiten) fehlenden sozialen Kontrolle nicht. Alles deutet allerdings darauf hin, dass auch hierzulande Männer eigene Krisenerfahrungen durch Aggressionen gegen Frauen und Kinder verarbeiten – ein typisches Muster patriarchaler Männlichkeit.

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„Wann wird es unsere Klasse treffen?“ – Schülerin sein in Coronazeiten

Nichts mit weihnachtlicher Besinnlichkeit – Der Schreibtisch der Autorin im Homeschooling

Am 13. März 2020 wusste ich, dass etwas anders ist. Schon seit Tagen wurde in allen Medien von einem Lockdown gesprochen. Das Coronavirus sei jetzt offiziell in Deutschland angekommen und die Infektionszahlen stiegen. Schulschließungen gab es in meinem Leben noch nie und die Vorstellung von ein paar überbrückenden Hausaufgaben unter ferienähnlichen Bedingungen fand ich gut. Ich war motiviert wie die meisten anderen auch. Wir stellten uns den Lockdown als große Entlastung vor.

Der Stress durch eigentlich bevorstehende Klausuren, Tests und Abgaben machte uns eh die ganze Zeit wahnsinnig. Eine kurze Pause vom Stress, um zu sich zu kommen, sich zu ordnen und frisch zu starten, war eine schöne Vorstellung.

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Ausgabe 3/2021: Beziehungsweisen

Liebe Leser*innen,

als Menschen stehen wir zueinander in Beziehung – in welcher Form auch immer. Der Kapitalismus prägt die Art und die Form des Zusammenseins und wirkt bis in die privatesten Bereiche unseres Lebens. Häufig begegnen wir uns unbewusst schon mit dem Gedanken: Was bringt dieser Kontakt mir gerade? Das macht natürlich etwas damit, wie wir zu anderen Menschen stehen und wie wir Freundschaften und Beziehungen führen. Gerade während Corona denken wir nochmal anders darüber nach, wie und mit wem und wie oft wir in Kontakt zu anderen Menschen treten. Für viele bedeutete das auch, eine “Bilanz” über die eigenen Beziehungen zu ziehen.

Können wir als Genoss*innen da raus und anders miteinander umgehen? Was passiert wenn Kinder dazukommen, die das Verhältnis von Politik, Privatleben und Lohnarbeit nochmal komplett durcheinanderwerfen? Und hilft der Begriff der „emotionalen Arbeit“ dabei, die Beziehungen, die wir in dieser Gesellschaft führen, zu verstehen? Mit diesen und mehr Fragen beschäftigen wir uns in der aktuellen aj 3/2021 “Beziehungsweise(n)”.

Wir wünschen euch beim Lesen eine gute Zeit und redet doch mit euren Freund*innen und Genoss*innen über diese schöne Ausgabe. 

Freundschaft!

Eure aj-Redaktion

Ausgabe 2/2021: Klasse

Liebe Leser*innen,

ihr haltet in diesem Moment etwas ganz besonderes in den Händen, nämlich die erste Ausgabe der Arbeiter*innenjugend. Wie es dazu kam, könnt ihr gleich lesen.

Passend dazu und auch zum Leitthema der kommenden zwei Jahre beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe mit Klasse. Dazu haben wir darüber diskutiert, was dieser Begriff heute eigentlich bedeutet und wie sich unsere Klassenanalyse in unserer täglichen Praxis äußert. Außerdem haben wir zwei Bücher zum Thema rezensiert. Was ist Klasse überhaupt und wie spiegelt sich das in meinem Lebenslauf wider? Damit beschäftigt sich unter anderem das Buch “Klasse und Kampf”, das wir in dieser Ausgabe diskutieren.

Neben dem Schwerpunkt auf Klasse haben wir unter anderem ein längeres Interview mit Jana, unserer ehemaligen Bundesvorsitzenden, geführt, in dem sie mit uns über ihre Zeit im Bundesvorstand, die schönen und auch die schwierigen Momente, spricht.

Wir hoffen, ihr habt beim Lesen genauso viel Spaß wie wir beim Erstellen. 

Freundschaft!

Eure Redaktion

Ausgabe 1/2021: Falkenarbeit und Corona

Liebe Genoss*innen,

wir stecken immer noch in der sogenannten dritten Welle der Pandemie – obwohl die zweite Welle eigentlich nie ganz weg war. Seit über einem Jahr ist unser Privatleben, unser Bewegungsradius, unsere gesamte verbandliche Arbeit auf ein Minimum beschränkt, während Industrie und viele Büros weiter fleißig Mehrwert produzieren. Von linken Wissenschaftler*innen,
Feuilletonist*innen und Politiker*innen gab es eine Vielzahl an Artikeln, die sich mit der generellen Verschärfung kapitalistischer Probleme in der Pandemie beschäftigen. In
der aj wollen wir eine andere Perspektive eröffnen und aus explizit jugendverbandlicher Sicht auf die momentane Situation schauen: Was macht die Pandemie mit unserer Arbeit und wie gehen wir als Falken damit um?

Wir wünschen euch viel Spaß beim
Lesen!

Eure Redaktion

Ein Blick hinter die Kulissen von WeWe

Jan: Hallo Charlotte und Hannah aus WeWe. Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, ein kurzes Interview für die Konferenzausgabe der AJ zu geben. Für mich aus der kleinen Gliederung Thüringen ist es immer schwer, mir vorzustellen, wie es bei euch ist. Ihr seid ja sehr viele Delegierte mit einem verhältnismäßig ja eher kleinen Redeanteil, während es bei uns genau anders herum ist.

Charlotte: Wir arbeiten seit den letzten BAs und Konferenzen immer daran, mehr zu sagen und finden auch, dass diesmal schon deutlich mehr gesagt haben als und sonst und hoffen, dass ihr das auch so seht. Wir sind eine sehr große Gruppe und die Absprachen sind durch das Online-Format sehr schwierig. Außerdem haben wir sehr viele Erstdelegierte dabei, von denen sich viele nicht trauen, etwas zu sagen. Das ist ja auch normal und wir kennen es alle, Erstdelegierte gewesen zu sein. Deswegen schauen wir, dass die Punkte von ihnen dann eventuell von jemandem anders gesagt werden. Generell bereiten wir einige Beiträge vor, damit nicht ständig Dinge wiederholt werden und insbesondere beim Leitantrag haben wir teilweise auch einfach ähnliche Meinungen wie der Bundesvorstand. 

Hannah: Bei den Punkten, bei denen wir anderer Meinung waren oder die wir abgelehnt haben, haben wir auch etwas gesagt und begründet, warum wir etwas nicht gut finden. Wir geben uns viel Mühe und haben eine krasse Veränderung zu der Konferenz von vor zwei Jahren hingelegt. Es haben vier / fünf Erstdelegierte von uns was gesagt und wir sind auch stolz darauf, dass wir das jetzt besser hinkriegen. In deiner Frage klang es so, als würden wir gar nichts sagen. Das sehen wir eigentlich gar nicht so. Hättet ihr das letzte Konferenz gemacht: auf jeden Fall, aber jetzt sehen wir das gar nicht so.

Jan: Ich wollte gar nicht sagen, dass ihr zu wenig gesagt habt und euch gar nicht kritisieren. Mich hat nur interessiert, wie es bei euch hinter den Kulissen aussieht, wie die Konferenz sich für euch darstellt und vor welchen Herausforderungen ihr als große Gliederung dabei steht. Sorry für die missverständliche Formulierung.

Hannah: Ich habe es tatsächlich erst als Kritik verstanden und weniger als ehrliches Interesse. Ich muss sagen, der telegram-Chat boomt, man muss sich absprechen und versuchen zu folgen. Jemand möchte was sagen, will aber vorher das „Go“ haben: „Ist das okay, kann ich das so sagen? Soll ich das vielleicht lieber nicht machen? Ich fühl mich da noch nicht so sicher.“ Durch die Distanz jetzt ist es noch schwieriger, aber auch vorher war es schwer. Da saß man in zwei Reihen mit vielen Menschen, da konnte man auch nicht mal eben so alles klären. Es ist einfach grundsätzlich schwierig, wenn man eventuell bis zu dreißig verschiedene Meinungen hat, irgendwie auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Jan: Wie wichtig ist es euch, geschlossen abzustimmen?

Hannah: Wir versuchen nicht, alle die gleiche Meinung zu bekommen, das kann man ja auch gar nicht. Wir wollen aber zumindest alle Meinungen wahrnehmen. Anders als es früher vielleicht einmal war, haben wir auf jeden Fall nicht das Ziel, geschlossen abzustimmen. Wir wollen bei den Vorbesprechungen schauen, wie das Stimmungsbild so ist und wenn es andere Meinungen gibt, dann werden die auch geäußert und sind auch in Ordnung. Aber wir wollen halt drüber reden und vielleicht teilen wir die ja auch. Aber jede*r soll abstimmen, wie er oder sie das sieht bzw. wie die Untergliederung das sieht. Wir sind ja sehr viele Unterbezirke und klar sind wir für den Bezirk hier, aber man kann auch individuelle Meinungen haben.

Charlotte: Schon bei den Vorbesprechungen ist es schwierig, dass alle kommen können. Und daraus folgt auch, dass ein Konsens bei den Vorbesprechungen nicht unbedingt auch bei der Konferenz noch gilt. Bei so einer großen Menge an Delegierten ist es einfach schwierig auf einen Nenner zu kommen und deswegen müssen wir auch nicht geschlossen abstimmen.

Jan: Vielen Dank!