Jung, hip, rechtsradikal.

Die Identitäre Bewegung in Deutschland

Sticker gegen die Identitäre Bewegung

Seit einigen Jahren macht in Deutschland eine Organisation durch spektakuläre und professionell inszenierte Aktionen auf sich aufmerksam: die Identitäre Bewegung, kurz IB. Mitglieder der Gruppe besetzten das Brandenburger Tor, um dort ein rassistisches Transparent aufzuhängen, versuchten eine Sitzblockade der CDU-Parteizentrale, um gegen die Aufnahme von Geflüchteten zu protestieren, und versuchten, mit einem Schiff die Seenotrettung auf dem Mittelmeer zu behindern. All diesen Aktionen war dabei eines gemeinsam: Es war wohl kaum davon auszugehen, eine direkte Wirkung zu erzielen, aber durch die mediale Aufbereitung konnte die Selbstinszenierung im Netz weiterlaufen und neue Interessierte erreichen.

Wer ist das eigentlich?

Die Identitäre Bewegung hat ihren Wurzeln im französischen Bloc Identitaire und hat sich aus verschiedenen anderen rechten Gruppen und Strömungen bedient. Inhalte dieser Strömung waren von Anfang der Kampf gegen Einwanderung, kulturelle Diversität und den Islam. In Österreich gibt es die Gruppe seit 2012, zwei Jahre später wurde auch ein Verein in Deutschland gegründet. In Deutschland dürfte der Verein wenige hundert Mitglieder zählen, der Schwerpunkt der Aktivitäten lag lange im süddeutschen Raum, wo eine enge Anbindung an die Gruppen in Österreich bestand. Seit etwa einem Jahr baut die IB ihre Präsenz in anderen Landesteilen jedoch stetig aus. Die IB gibt sich in ihren Aktionen betont jung, modern und aktivistisch, um eine bestimmte Gruppe vor allem junger Männer, aber auch junger Frauen anzusprechen. In Aktionen und Bildsprache bedient sich die IB insbesondere bei NGOs wie Greenpeace oder auch antifaschistischer Gruppen, wobei eigene Symbole und Begriffe verwendet werden.

Offiziell lehnt die IB den Nationalsozialismus sowie Rassismus und Antisemitismus ab. Ihre Forderungen sind auf einer Ideologie begründet, die man Ethnopluralismus nennt. Danach sind Kulturen ethnisch einheitlich und jede Vermischung mit anderen Kulturen wäre zwangsläufig eine falsche Entwicklung. Hinter den Migrationsbewegungen der letzten Jahre und Jahrzehnte vermutet die IB einen gezielten Plan, den sogenannten “Großen Austausch”. Dabei würden angeblich die Europäer*innen von ihren Regierungen (im Sinne des Ethnopluralismus Weiße Christ*innen) durch andere Menschen ausgetauscht werden, damit diese leichter herrschen könnten. Dieser Austausch würde dann auch noch durch liberale und linke Ideen befördert werden, weil dadurch die Gesellschaft ihre Wehrhaftigkeit verlöre.

Bemerkenswert ist, dass die IB in ihren Veröffentlichungen nicht auf eine niederschwellige, leicht zugängliche Sprache setzt, wie es andere Gruppen tun. Sie zielt vielmehr auf ein akademisches Publikum, das bereits Erfahrung mit dem Lesen theoretischer Texte besitzt. Damit sind etwa auch Burschenschaften konkrete Verbündete der IB, wie sich etwa in Uni-Städten wie Greifswald anlässlich einer Umbenennung der dortigen Universität gezeigt hat: Die Uni hatte nach langer Debatte beschlossen, den Namen Ernst Moritz Arndt abzulegen. Dieser wurde ihr im Nationalsozialismus gegeben, um einen deutschnationalen, antisemitischen Dichter zu ehren. Die Rückkehr zum Gründungsnamen wurde von Akteur*innen aus AfD, IB und Burschenschaften attackiert, die darin einen Angriff auf die deutsche Kultur sahen.

In einem Forschungsprojekt, in dem Akteure der IB interviewt wurden, wurde auch klar gesagt, dass die IB Menschen erreichen will, “die mit beiden Beinen fest im Leben stehen”. Es wurde dabei ein klar elitäres Selbstverständnis formuliert, nach dem man sich als Speerspitze einer rechten Bewegung sieht, die rechte Ideen in den gesellschaftlichen Diskurs einspeist, um diesen dadurch entsprechend zu verschieben.

Neonazis 2.0

Einteilung von Menschen in verschiedene Gruppen, Ablehnung von progressiven Ideen als Volkszersetzung, Verschwörungsideologien – das klingt in dem Zusammenhang alles relativ vertraut. Die Parallelen zu den Positionen von Parteien wie NPD oder AfD sind deutlich. Tatsächlich finden sich unter den Akteur*innen der IB Menschen, die früher in der NPD oder im Nationalen Widerstand aktiv waren, sowie Personen, die heute Mitglied der Jungen Alternative sind oder dieser nahestehen. Die IB übernimmt damit eine Scharnierfunktion zwischen verschiedenen rechten Strömungen.

Was uns als linken Kinder- und Jugendverband besonders beschäftigen sollte, ist nicht nur die Auseinandersetzung mit der Ideologie der IB und die Kritik daran, sondern vor allem das hohe Maß an Professionalität, das sie in ihrer Außendarstellung an den Tag legt. Ein gemessen an seiner Mitgliederzahl eigentlich winziger Verein schafft es, jeden Tag durch unterschiedliche Formate auf verschiedenen Plattformen eine große Anzahl Menschen zu erreichen – das heißt, bis Facebook und Instagram ihre Seiten und Accounts sperrten, was die Reichweite deutlich senkte. Zudem organisieren sie in Kooperation etwa mit der Jungen Alternative auch Shitstorms bei politischen Gegner*innen, wovon auch schon Social-Media-Auftritte von Falkengliederungen betroffen waren. Wie Antifaschismus auch in digitalen Räumen funktionieren kann, sollten wir als Linke insgesamt diskutieren.

Steffen Göths, LV Brandenburg